Lehrgang mit Dr. Bernd Klein, 7. Dan Kendo, Renshi am 8. und 9. Oktober 2016


„Wie steh ich denn jetzt da?“, fragt man sich ja oft im Leben, nicht nur im Kendo. Aber beim Kendo fragt man sich das vor allem immer dann, wenn man einen Treffer gelandet hat, seinen Partner auf dem Men, auf der Kote oder am Do getroffen hat und vermeintlich am Ziel angekommen ist. Und immer wieder werden Trainer und Kampfrichter aufgeregt, unverständig oder aufgebracht gefragt, warum das denn eben doch kein gültiger Treffer gewesen sein soll, warum das nicht gut genug gewesen sei. „Zanshin“ lautet dann oft das Zauber- und Kritikwort.

Dass beim Kendo nicht nur der sportliche Aspekt bewertet wird, egal ob beim Turnier oder bei einer Prüfung, ist vielen Trainierenden schon bald klar. Aber oft erscheint es so, dass wenn man zu wenig Kiai, zu wenig „Show“ zeigt beim Schlagen, dass man dann nicht überzeugend wirkt; zu viel Show aber ist erst recht verpönt - und kann sogar bestraft werden.

Wir haben also, nachdem wir im letzten Jahr einen Schwerpunkt auf das Thema „Seme“ gelegt hatten, der uns gezeigt hat, wie man sich vor dem Schlagen verhalten sollte, zum diesjährigen Lehrgang aus dem Badischen Dr. Bernd Klein, 7. Dan Kendo Renshi, eingeladen, um Antwort zu erhalten, wie man nach dem Schlagen agieren oder dastehen sollte.

Und Bernd hat uns neben präzisen allgemeinen Übungen, klaren Ansagen und neuen Trainingsideen eine schlagende Antwort in Form einer Übersetzung des mysteriösen Begriffs „Zanshin“ mitgebracht. Zan-shin sei, so Bernd, das „Bewusstsein vom Rest“, also das Gewahrsein, dass der geschlagene Gegner zwar eben geschlagen sei, aber ein Rest von ihm noch vorhanden sein könnte, dem unsere Aufmerksamkeit gehören sollte. Am sinnfälligsten ist eine Körperhaltung, ein Abstand, ein Kamae, eine Position, die uns erlaubt, sofort wieder zuzuschlagen, sollte der „Rest“ sich noch nicht als erledigt empfinden. Vor allem aber sollten wir durch unsere Körperhaltung und unsere Aufmerksamkeit verdeutlichen, dass auch unser Geist sich dessen bewusst ist, dass nach dem Schlag immer vor dem nächsten sein könnte und dass wir nicht selbstvergessen und selbstzufrieden unachtsam werden. Das ist, auch wenn man nicht nur an die eventuelle Gefahr denkt, die vom Geschlagenen ausgehen kann, ein schöner Gedanke: dass man sich selbst im Sieg noch dessen bewusst ist, dass man einen Gegner hat, der auch ein Partner ist. (Der übrigens ja genauso gut der Sieger sein könnte. Ein anderes Originalzitat von Bernd Klein lautet nämlich: „Wer nicht bereit ist zu verlieren, kann nicht gewinnen.“)

Wir haben uns sehr gefreut, dass sich Bernd Klein viel Zeit für uns genommen hat, Prüfungsaspiranten etwas eingehender gecoacht hat und detailliert und humorvoll auf unsere Fragen eingegangen ist. Ebenso haben wir uns sehr gefreut, dass aus den anderen Berliner Vereinen (und aus Goslar) zahlreiche Kendoka zu uns gekommen sind und uns das Wochenende verschönert haben. Bis zum nächsten Jahr!

PS: Ursprünglich war als Lehrgangsleiter neben Bernd Klein Ralph Lehmann, 7. Dan Kendo Kyoshi, vorgesehen, er musste allerdings krankheitsbedingt absagen. Wir freuen uns aufs nächste Jahr mit ihm!

Sven Schabram